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Last edited on 2006-04-10 21:07:17 by WojciechLisiewicz

Deletions:
Das Verfahren der Zulassung von Wertpapieren zum öffentlichen Handel ist Teil eines komplexen Systems des Kapitalmarktrechts. Dieses wiederum wird durch das Wesen und die Aufgaben des Kapitalmarktes selbst definiert. Deshalb sind zunächst die Begriffe Kapitalmarkt und Kapitalmarktrecht (unter A.) sowie ihre Aufgaben und Bedeutung (unter B.) kurz zu erläutern. Dann ist die Zulassung selbst als Gegenstand der Arbeit vorzustellen (unter C.). Darauf folgen ein historischer Rückblick auf die Entwicklung des polnischen Wertpapiermarktes seit 1989 (D.) und die Darstellung der daraus hervorgegangenen, rechtlichen Rahmenbedingungen (E.). Schließlich ist für die Klärung, welche Sachverhalte unter die hier behandelten Regelungen subsumiert werden, der Anwendungsbereich des geltenden Wertpapierhandelsgesetzes zu behandeln (F.).
Begriffe Kapitalmarkt und Kapitalmarktrecht
Kapitalmarkt
Der Markt ist ein Ort, an dem ein Austausch von Gütern stattfindet – ein Handelsplatz also. Beim Kapitalmarkt handelt es sich demgemäß um den Handelsplatz für das – wenn auch als abstraktes Wirtschaftsgut zu bezeichnende – Kapital. Diese Art der Definition stützt sich wiederum auf den Begriff jenes Kapitals, das zu den Finanzmitteln im weiteren Sinne zählt, wobei der Kapitalmarkt als Gegenbegriff zum kurzfristigen Geldmarkt zu verstehen ist. Ein so verstandener Kapitalmarkt ist insgesamt zu definieren als1:
institutionalisierter Markt
für Finanzmittel
mittel- oder langfristiger Natur.
Nicht nur in begrifflicher Hinsicht lässt sich der Begriff des Kapitalmarktes von dem allgemeinen Marktbegriff ableiten. Auch in systematischer Hinsicht ist festzustellen, dass der Kapitalmarkt Teil des gesamten Marktes ist. Dieser ist in den Markt für reale Güter sowie in den Finanzmarkt einzuteilen. Auf dem Gütermarkt werden Waren und Dienstleistungen gehandelt, die entweder der Produktion oder dem Konsum dienen2. Auf dem Finanzmarkt hingegen werden ausschließlich abstrakte Güter gehandelt. Es ist ein Markt für Geld und Kapital. Das Unterscheidungskriterium im Rahmen des Finanzmarktes ist die Laufzeit der gehandelten Anlagetitel – der Kapitalmarkt dient der langfristigen Anlage bzw. Kapitalbeschaffung3; auf dem Geldmarkt4 werden kurzfristige Finanzinstrumente gehandelt5.
Innerhalb des Kapitalmarktes kann das für die langfristige Anlage bestimmte Kapital auf verschiedenen Wegen vermittelt werden. Zum einen können hier die Banken als Kreditmittler auftreten, zum anderen besteht die Möglichkeit, Kapital auf direktem Wege vom Anleger zum Kapitalsuchenden zu transferieren. Insgesamt gehören zum Kapitalmarkt folgende Formen der Kapitalvermittlung6:
Spareinlagen,
Kredite der Banken bzw. anderer Kreditinstitute,
Wertpapieremissionen und -handel.
Der am meisten diskutierte und teilweise – so z. B. im europäischen Recht7 – mit dem Kapitalmarkt als solchem identifizierte Bereich ist der zuletzt genannte Markt für Wertpapiere. Auch wenn die Begriffe inhaltlich nicht übereinstimmen, hat der Wertpapier­markt doch eine herausragende Bedeutung im Rahmen des Kapitalmarktes, weil er die einzige Quelle direkter Kapitalvermittlung darstellt und auch aus rechtlicher Sicht eine Sonderstellung genießt – er hat als einziger eine von anderen Bereichen (Bankenrecht bzw. allgemeines Zivilrecht in Bezug auf Spareinlagen und Bankkredite) getrennte Regelung erfahren. Das bekannteste, auch als „höchste Stufe“ des so verstandenen Kapitalmarktes bezeichnete Marktsegment ist dabei die Wertpapier­börse8. Am Wertpapiermarkt werden insbesondere verbriefte langfristige Kredite (die als Anleihen bezeichnet werden) sowie Beteiligungen (meistens Aktien) gehandelt.
In Bezug auf die Zulassung von Wertpapieren zum öffentlichen Handel beschränkt sich die vorliegende Arbeit auf den gerade vorgestellten Teil des Kapital­marktes – auf den Markt für Wertpapiere.
Kapitalmarktrecht9
Das Kapitalmarktrecht wird in Deutschland als Gesamtheit von Normen bezeichnet, die den Verkehr mit verbrieften oder unverbrieften Beteiligungen und Forderungen zum Gegenstand haben10. Dabei verfolgen diese Normen nach überwiegender Auffassung zwei Ziele11: die Gewährleistung eines effizienten Marktes (Funktions­schutz) sowie den Schutz von Investoren (Anlegerschutz).
Der Begriff des Kapitalmarktrechts wird in Polen relativ selten benutzt12. Das den Verkehr mit Wertpapieren betreffende Rechtsgebiet wird in der Regel – und wohl auf der Grundlage der vom Gesetzgeber gewählten Bezeichnung für das einschlägige Wertpapierhandelsgesetz (WphG)13 – Recht des öffentlichen Handels mit Wert­papieren genannt. Damit ist der in Polen übliche Begriff des Kapitalmarktrechts enger gefasst als die vorgestellte Definition. Sie deckt jedoch die meisten der praktisch relevanten Bereiche des Kapitalmarktes ab. Wie bereits im Rahmen der Definition des Kapitalmarktes festgestellt wurde, sind dem Wertpapiermarkt als dem Ort der direkten Kapitalvermittlung die wesentlichsten Normen des Kapitalmarktrechts gewidmet. Die vorliegende Untersuchung bewegt sich daher auch in dem engeren Rahmen, den die polnische Gesetzgebung und Lehre vorgibt.
Bedeutung des Kapitalmarktes und des Kapitalmarktrechts
Die Definition des Kapitalmarktrechts ergibt sich aus dessen Aufgaben: Funktions­schutz und Anlegerschutz. Der Schutz der Funktionen des Kapitalmarktes ist daher ein begriffsimmanentes Merkmal des Kapitalmarktrechts.
Da die vorliegende Arbeit neben einer Beschreibung der Rechtslage auch die Bewertung des polnischen Rechts liefern soll, rücken die Aufgaben des Marktes selbst sowie der Rechtsordnung, die das Marktgeschehen ordnet und begrenzt, in den Vordergrund. Der wichtigste Bewertungsmaßstab ist daher, wie das Kapitalmarktrecht diese Aufgaben erfüllt. Die Bewertung hängt davon ab, ob und inwieweit die vom Kapitalmarkt und vom Kapitalmarktrecht zu erfüllenden Aufgaben auch tatsächlich bewältigt werden.
Aufgaben des Kapitalmarktes
Die Grundaufgabe des Kapitalmarktes wird einhellig in der Kapitalallokation gesehen, d. h. in der Verteilung von Kapital14. Dabei hat der Markt dafür zu sorgen, dass Kapital der anlagesuchenden Rechtssubjekte einen möglichst direkten Weg zu denen findet, die es benötigen15 und am wirtschaftlichsten einsetzen werden16.
Wenngleich dem Kapitalmarkt auch andere Funktionen zugewiesen werden (wie z. B. eine Bewertungsfunktion gegenüber der Wirtschaft oder eine Kontrollfunktion gegen­über den notierten Unternehmen17 oder aber die Funktion der Sicherstellung des Effektenhandels18), so steht die Verteilung der knappen Ressource Kapital im Vordergrund, und nur sie ist der eigentliche Grund für die Existenz des Kapitalmarktes in der Marktwirtschaft.
Der polnische Kapitalmarkt wurde als Instrument zur Massenprivatisierung gegrün­det19. Damit wird er – zumindest auch – aus dem Blickwinkel der Transformation erklärt20. Dies ändert jedoch nichts daran, dass er auch in Polen die optimale Verteilung von Kapital unter den bedürftigen Unternehmen gewährleisten soll21. Auch wenn diese Grundaufgabe gleichermaßen durch die Banken wie durch den Wertpapiermarkt wahrgenommen wird, sollte das Augenmerk in Polen insbesondere auf Letzteren, d. h. auf den Weg der direkten Kapitalverteilung, gerichtet werden. Zum einen deshalb, weil polnische Banken ohnehin keine hinreichende Kraft und Eigen­kapitalausstattung besitzen, um die Wirtschaft mit Kapital zu versorgen22. Zum anderen aber deshalb, weil der polnische Kapitalmarkt und die Wirtschaft insgesamt unter akutem Liquiditätsmangel leiden23. Ferner trägt die nicht immer wirksame Rechts­ordnung zur Steigerung des Risikos der Banken bei, was die Kosten für Bankkredite zusätzlich in die Höhe treibt.
Aufgaben des Kapitalmarktrechts
Würde es sich beim Kapitalmarkt um einen Markt im üblichen Sinne handeln, so läge es nahe, ihn den Marktregeln zu überlassen. Die Umgebung aller am Kapitalmarkt agierenden Rechtssubjekte stellt jedoch keinen vollkommenen Markt dar, weil hier auf der einen Seite von Natur aus keine vollkommene Transparenz herrscht und auf der anderen Seite die Marktteilnehmer in aller Regel gegensätzliche Interessen verfolgen24. Sollen Informationsasymmetrien verhindert werden, so müssen Regeln geschaffen werden, mit deren Hilfe alle Marktteilnehmer gleichen Zugang zu Informationen bekommen25. Das Kapitalmarktrecht soll diese Regeln bieten. Es soll den Markt überzeugend und für die Öffentlichkeit nachvollziehbar gestalten, ohne die Transaktionskosten in die Höhe zu treiben – insgesamt also effektiv lenken26.
Wie bereits angedeutet, wird dieser Lenkungseffekt durch zwei Grundaufgaben des Kapitalmarktrechts charakterisiert27: Funktionsschutz28 und (individueller) Anleger­schutz29. Dabei fällt auf, dass in politischen Debatten sowie in der europäischen Rechtsetzung30 die Bedeutung des Anlegerschutzes besonders hervorgehoben wird31. Es ist insbesondere der Gedanke des Verbraucherschutzes, der sich auf das Kapital­marktrecht in Form des Anlegerschutzes niederschlägt. In Polen ist sogar zu beobachten, dass dem Anlegerschutz die Bedeutung eines allgemeinen Prinzips des Rechts der Wertpapiermärkte zuerkannt wird32, während der Funktionsschutz kaum Erwähnung findet. Dies sollte jedoch nicht zu dem Schluss verleiten, dass dem Anlegerschutz gegenüber dem Funktionsschutz Vorrang einzuräumen wäre.
Anlegerschutz vs. Funktionsschutz
Zwischen dem Schutz der Marktfunktionen auf der einen und dem (individuellen) Anlegerschutz auf der anderen Seite wird ein Spannungsverhältnis gesehen33. Bei näherer Betrachtung beider Regelungsziele stellt sich allerdings heraus, dass auch der Anlegerschutz zumindest mittelbar der Erfüllung der Grundaufgabe des Kapitalmarktes dient: der optimalen Kapitalallokation. Denn ein umfassend geschützter Anleger ist eher bereit, sein Kapital dem Markt zur Verfügung zu stellen. Und ohne Anleger lässt sich keine hinreichende Liquidität des Marktes gewährleisten, die aber für die Leistungsfähigkeit des Kapitalmarktes unerlässlich ist34. Dies wird am Beispiel der Publizitätsregeln besonders deutlich: Sie dienen zwar selbst­verständlich auch dem Anlegerschutz, sollen jedoch durch ihre informative Wirkung eine effizientere Allokation herbeiführen. Im Ergebnis verbessern sie dadurch den Funktionsschutz35. Die Betonung des Anlegerschutzes kann insofern irreführend sein, da sie die eigentlichen Aufgaben des Kapitalmarktes weitgehend vernachlässigt.
Demzufolge ist bei der Erklärung der Aufgaben des Kapitalmarktrechts sowie bei allen Maßnahmen der Rechtsetzung und Rechtsanwendung in diesem Bereich zu berück­sichtigen, dass sie primär dem Kapitalmarkt dienen sollen, dessen Aufgabe wiederum Kapitalverteilung ist. Für die Betrachtung der Rechtslage in Polen bedeutet dies insbesondere, dass die Aufgabe des Kapitalmarktrechts nicht in der Schaffung einer Spekulationsmöglichkeit für das Anlegerpublikum oder gar einer möglichst sicheren „Spiel­plattform“ zu sehen ist36. Aufgabe der Rechtsordnung vielmehr ist der Schutz des Kapitalmarktes als einer für die Gesamtwirtschaft lebenswichtigen, über die individuellen Anlegerinteressen hinausgehenden, Institution37. Diese Auffassung ist mittlerweile Grundlage der neueren Rechtsetzung der EU geworden38 und wird all­mäh­lich auch in Polen akzeptiert39.
Inhalt des Funktionsschutzes
Die als primäre Aufgabe der Rechtsordnung bezeichnete Funktionsfähigkeit des Marktes ist gewährleistet, wenn folgende Faktoren gesichert sind40:
die Allokationsfunktion, d. h. die Umschichtung von Kapital aus den Erspar­nissen zum Investitionskapital; die knappen Ressourcen sollen dorthin fließen, wo Bedarf zu verzeichnen ist41; dies kann nur dann effizient geschehen, wenn der Markt hinreichend segmentiert ist42;
die institutionelle Funktionsfähigkeit, also der ungehinderte Zugang der Anleger und Emittenten zum Markt43; dieser ist gewährleistet, wenn die Anlageformen entsprechend typisiert sind und wenn der Markt aufnahmefähig und stabil ist (was zum Teil als Liquidität, Breite und Tiefe des Marktes bezeichnet wird);
die operationale Funktionsfähigkeit, d. h. niedrige Kosten der Anlagevermittlung auf der einen und der Kapitalbeschaffung auf der anderen Seite44.
Ergebnis für die vorzunehmende Untersuchung
Auch wenn dem Kapitalmarkt und dem Kapitalmarktrecht mancherorts unterschied­lichste Aufgaben zugewiesen werden – ob im Allgemeinen oder im Hinblick auf die besonderen Bedürfnisse einer Transformationswirtschaft (wie z. B. Polen) – ist hier festzustellen, dass die primäre Bedeutung des Kapitalmarktes in der Kapitalallokation besteht. Dabei ist im Rahmen des polnischen Kapitalmarktes die Bedeutung des Wertpapiermarktes hervorzuheben, weil er gegenüber den Banken noch unzureichend herausgebildet ist, angesichts der hohen Kreditkosten aber als günstiger Weg zur Kapitalbeschaffung genutzt werden sollte.
Die Rechtsordnung im Bereich der Kapitalmärkte soll wiederum eine Erfüllung dieser Aufgaben ermöglichen – also die Funktionsfähigkeit des Marktes schützen. Dabei hat das Kapitalmarktrecht drei Teilaspekte der Markteffizienz zu berücksichtigen: die allokative, operationale und institutionelle Effizienz. Mit dieser Feststellung steht für die vorliegende Arbeit zugleich der Maßstab der Bewertung fest, an dem alle rechtlichen Lösungen in Polen zu messen sind. Kurz gesagt sollen sie stets das Ziel einer möglichst effizienten Kapitalverteilung verfolgen.
Zulassung als Gegenstand der Untersuchung
Gegenstand der Untersuchung ist das Verfahren der Zulassung von Wertpapieren zum öffentlichen Handel in Polen. Damit wird nur ein Ausschnitt des Kapitalmarktrechts behandelt – das Recht des öffentlichen Wertpapierhandels, in dessen Rahmen wiederum nur die Zulassung zum Handel relevant ist. Was genau hierunter zu verstehen ist, soll jetzt näher dargestellt werden.
Begriff der Zulassung
Wenn hier der Begriff der Zulassung benutzt wird, so stellt sich die Frage, welche Vorgänge darunter im Sinne der polnischen Rechtsordnung verstanden werden.
Das WphG spricht in den allgemeinen Bestimmungen der Art. 4 ff. von einer Zulassung (dopuszczenie) von Wertpapieren zum öffentlichen Handel. In den Art. 61 ff. WphG ist dagegen von der Handelseinführung (wprowadzenie) die Rede. Ähnlich unterscheiden die einzelnen Marktordnungen (so z. B. §§ 1 ff. gegenüber §§ 30 ff. der Börsenordnung der Warschauer Wertpapierbörse) zwischen der Zulassung und Einführung zum Handel. Insgesamt werden zwei Arten der Zulassung und zwei der Einführung unterschieden. Ohne an dieser Stelle auf die Besonderheiten des Dualen Systems der Zulassung in Polen einzugehen45, muss festgestellt werden, dass die Zulassung zum öffentlichen Wertpapierhandel im Geltungsbereich des WphG als ein bestimmter Zustand, Status der Papiere zu verstehen ist. Ausdrücklich spricht davon Art. 4 Nr. 2 WphG. Wird diese Norm im Zusammenhang mit den Art. 61 ff. WphG betrachtet, insbesondere mit Art. 63, so ist ein Unterschied zum Verfahren der Einführung erkennbar. Das Letztere stellt einen Prozess dar, dessen Abschluss in der Regel der o. g. Status eines zugelassenen Papiers ist. Manche Wertpapiere müssen jedoch nicht eingeführt werden, weil sie kraft Gesetzes zugelassen sind, Art. 62 WphG46. Das Begriffspaar der Zulassung und der Einführung wird auch in den Ordnungen der Marktorganisatoren benutzt, so z. B. in der Börsenordnung der Warschauer Börse. Hier hat die Unterscheidung eine ähnliche, wenngleich nicht identische Bedeutung. Grundsätzlich ist eine Zulassung durch Beschluss des Börsenrates erforderlich, in einigen Fällen jedoch entbehrlich. In jedem Falle aber ist zusätzlich die Handels­einführung durch den Börsenvorstand als zweiter Schritt des Verfahrens erforderlich.
Insgesamt ist im Rahmen der polnischen Rechtsdogmatik zwischen den Begriffen der Zulassung und Einführung zu unterscheiden. Darüber hinaus ist zwischen dem Geltungsbereich des WphG zu unterscheiden und dem der jeweiligen Marktordnung. Damit sind folgende Fälle denkbar:
Zulassung zum öffentlichen Markt i. S. d. WphG als Status, der durch einen Verwaltungsakt herbeigeführt werden kann oder kraft Gesetzes herrscht;
Einführung zum öffentlichen Handel gem. Art. 61 ff. WphG, die als Herbeiführung des Status der Zulassung zu verstehen und in jedem Falle mit einem Verfahren vor der Kommission für Wertpapiere und die Börsen47 gleichzusetzen ist;
Zulassung zur Handelsplattform (z. B. Börsenzulassung nach §§ 1 ff. der Börsenordnung) als erster Schritt im Verfahren vor den Organen eines Marktorganisators (Börse, CeTO);
Einführung zum Handel an der Handelsplattform als zweiter, abschließender und lediglich formeller Schritt im Verfahren vor den Organen des autonomen Marktorganisators.
Der in der Problemstellung verwendete Begriff der Zulassung ist ein anderer als der oben genannte, den das WphG bzw. die Marktordnungen verwenden. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung soll der – aus Sicht des Betroffenen – vollständige Weg des zunächst privaten Wertpapiers zur Notierung am gewählten Marktsegment behandelt werden. Es liegt auf der Hand, dass erst die Möglichkeit der Veräußerung bzw. des Erwerbs der betreffenden Papiere als endgültiges Ziel des Verfahrens anzusehen ist. Und sie ist erst mit dem Handel an der Börse bzw. an einem außerbörslichen Markt erreicht. Deshalb ist im Rahmen dieser Arbeit sowohl die allgemeine Zulassung und Einführung zum öffentlichen Handel zu beschreiben, wie auch die Zulassung und Einführung zu den einzelnen Marktsegmenten.
Praktische Bedeutung der Zulassung
Das Zulassungsverfahren stellt keine bloß administrative Hürde auf dem Weg von Wertpapieren zum freien Handel auf dem öffentlichen Markt dar. Vielmehr handelt es sich hierbei zugleich um eines der wichtigsten Rechtsinstitute des Kapitalmarktes überhaupt. Die Reglementierung der Zulassung dient den anerkannten Zielen des Kapitalmarktrechts – sowohl dem Schutz der Anlegerinteressen wie auch der Gewähr­leistung der Funktionsfähigkeit des Wertpapiermarktes48.
In rechtstechnischer Hinsicht besteht die Bedeutung der Zulassung zunächst darin, dass sie den rechtlichen Status der betroffenen Wertpapiere insofern ändert, als sie und ihr Emittent nicht mehr den allgemeinen Regeln des Zivilrechts unterliegen (und damit weitgehender Privatautonomie), sondern dem Reglement des Kapitalmarkt­rechts49 und damit einer Reihe von öffentlich-rechtlichen Pflichten50. Die Konstruktion der Zulassung ist deshalb als konstitutiver Akt zu verstehen, der eine Voraussetzung für den Einsatz vieler Regelungen des WphG darstellt51. Die bedeutendsten hiervon sind die Pflicht zum formalisierten Handel am geregelten Markt, Transparenz der Kapitalkonzentration und Insiderhandelsverbot52. Auf der anderen Seite ist die Zulassung eine Prämisse der sachlichen Zuständigkeit der Kommission, die über die Einhaltung der o. g. Normen wahrt53.
Ein weiterer Ausdruck der Bedeutung des Rechtsinstituts der Zulassung im polnischen Recht – zumindest der Zulassung zum öffentlichen Handel im Sinne des WphG – ist die in Art. 165 WphG vorgesehene Sanktion für den Fall, dass das rechtlich vorge­sehene Verfahren der Zulassung umgangen wird: Das Anbieten von Wertpapieren ohne die benötigte Zustimmung staatlicher Organe erfüllt den strafrechtlichen Tatbe­stand des Art. 165 I WphG, dessen Konsequenz eine hohe Geldstrafe oder gar eine Freiheitsstrafe sein kann54.
Entwicklung des polnischen Kapitalmarktrechts nach 198955
Die in das 19. Jahrhundert reichenden Anfänge des polnischen Kapitalmarktes gehen auf das französische Handelsgesetzbuch zurück, das in Polen im Jahre 1809 in Kraft getreten war. Nachdem man im Jahre 1817 eine Börse in Warschau ins Leben gerufen hatte, fand dort Handel sowohl mit Wechseln wie auch mit Waren statt. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts handelte man noch mit Pfandbriefen und Schuld­verschrei­bungen56.
In den Zeiten der zweiten Polnischen Republik wurde der Börsenhandel zweimal kodifiziert, im Jahre 1921 (Gesetz über die Organisation der Börsen) und im Jahre 1924 (Verordnung des Präsidenten der Republik über die Wertpapierbörsen). Auf dieser Grundlage arbeiteten zwischen den Weltkriegen Börsen in Warschau und in anderen großen Städten Polens57.
Die Kapitalmarktstrukturen haben in Polen nach 1945 keine Kontinuität erfahren. In dem Gesellschaftssystem, das seitdem herrschte und sich als Gegensatz zum kapitalistischen verstand, war die Bildung eines Marktes für Kapital kraft Definition ausgeschlos­sen. Formell wurden die Strukturen zwar wieder ins Leben gerufen, indem man die Vorschriften aus der Zeit vor 1939 als geltendes Recht deklarierte. Das sozialistische Regime aber hat alle Formen freier Marktwirtschaft faktisch obsolet gemacht58.
Zeitgleich mit den Gesprächen am „Runden Tisch“ im Jahre 1989 und dem Untergang des sozialistischen Gesellschaftssystems wurde ein in einer freien Marktwirtschaft vielleicht selbstverständliches Schlagwort zu einem in der damaligen Zeit in Polen allerdings euphorisch begrüßten Slogan: „Was nicht verboten ist, ist erlaubt“. Jegliche Art unternehmerischer Tätigkeit in privater Regie wurde zur Massenerscheinung. Der Entstehung eines Kapitalmarktes stand nichts mehr im Wege.
Im Jahre 1989 fehlten jedoch alle Strukturen für die Herstellung eines Kapitalmarktes. Und die rechtlichen Grundlagen aus der Vorkriegszeit konnten – im Gegensatz zum HGB oder dem Wechsel- bzw. Scheckrecht – den Anforderungen an einen modernen Wertpapier­verkehr nicht gerecht werden. Demzufolge konnte nach dem Umbruch ein Markt für Kapital nur durch eine Neugründung konzipiert werden.
Erste Schritte nach 1989
Auf das Wendejahr 1989 folgte eine bis 1991 andauernde, spontane Entwicklung des Kapitalmarktes. Es wurden Wertpapiere i. S. d. HGB und des Anleihengesetzes emit­tiert und von Maklerbüros und ähnlichen Rechtssubjekten gehandelt. Eine Einrichtung, die den Charakter einer Börse gehabt hätte, fehlte, vielmehr hatte sich ein außer­börsli­cher Markt herausgebildet, der einem OTC-Markt ähnelte. Der Handel war dezentral organisiert. Allgemein zeichnete sich die erste Phase des polnischen Kapitalmarkt­geschehens durch das Fehlen jeder rechtlichen Grundlage, Unübersichtlichkeit und hohes Risiko für Investoren aus.
Die im Jahre 1990 aufgenommenen Vorbereitungen zur Schaffung der Infrastruktur des Kapitalmarktes wurden mit Hilfe französischer Institutionen durchgeführt, was auch in der darauffolgenden Gesetzgebung deutliche Spuren hinterlassen hat59.
Gesetz über den öffentlichen Wertpapierhandel und die Treuhandfonds von 1991
Im März 1991 wurde das Gesetz über den öffentlichen Wertpapierhandel und über die Treuhandfonds60 erlassen. Das Gesetz knüpfte allerdings nicht an die Erfahrungen der Jahre 1989 – 1991 an; es verfolgte ausschließlich ein durch den Gesetzgeber und die Regierung vorgegebenes Ziel: die Privatisierung staatlicher Betriebe. Im Hinblick auf die Tatsache, dass der Privatisierungsvorgang ohne einen breiten, funktionsfähigen Kapitalmarkt kaum denkbar gewesen wäre, erscheint dieser Regelungsansatz für diese Zeit auch als berechtigt61.
Mit diesem Gesetz wurde ein Weg für den Kapitalmarkt in Polen eingeschlagen, der dem Staat eine Schlüsselrolle bei der Schaffung der institutionellen Voraussetzungen für den Wertpapierverkehr einräumte, so dass auch die Warschauer Wertpapierbörse62 (GPW) gesetzlich gegründet wurde und seither in staatlicher Hand geblieben ist. Gleichzeitig hatten die Ziele der gesetzlichen Regelung zur Folge, dass auf der einen Seite ein zentraler Markt mit breitem Anlegerpublikum angestrebt wurde, auf dem restriktive Zulassungsschranken und Informationspflichten den Anleger lückenlos schützen sollten, auf der anderen Seite eine Marktsegmentierung nicht für notwendig gehalten wurde. Aus diesen Gründen wurde die Regelung von 1991 meistens kritisch beurteilt63.
Als staatliche Aufsichtsbehörde wurde die Wertpapierkommission64 (KPW) eingesetzt.
Entwicklung in den Jahren 1991 - 1997
In den Jahren 1991 – 1996 folgte eine Entwicklung des Marktes innerhalb der gesetz­lichen Vorgaben und unter der Monopolstellung der Wertpapierbörse in Warschau. Die bereits erwähnte mangelnde Segmentierung des Marktes war das Resultat fehlender Ausführungsvorschriften zum Gesetz von 1991. Dieses sah zwar die Möglichkeit eines außerbörslichen Marktsegments vor, die entsprechenden Ausführungsverordnungen waren jedoch vorerst nicht erlassen worden65.
Im Jahre 1993 wurde eine neue Konzeption für die Privatisierung ehemals staatlicher Betriebe vorgelegt, die auf sog. Nationalen Investmentfonds (NFI) basierte. In diesem Zusammenhang wurden die Vorschriften über den außerbörslichen Handel detaillierter ausgestaltet und Grundlagen für einen OTC-Markt gelegt. Dabei wurde die Möglichkeit geschaffen, den Emissionsprospekt im Falle der außerbörslichen Notierung durch ein vereinfachtes Informationsmemorandum66 zu ersetzen.
Die Entstehung einer polnischen NASDAQ blieb allerdings bis zum Jahre 1996 aus. Die neue Handelsplattform, CeTO67, wurde als Aktiengesellschaft auf Initiative von mehreren Maklerbüros und Banken im Januar 1996 gegründet und nahm ihren Betrieb zum Ende des Jahres auf. Dies war erst nach dem Erlass einer entsprechenden Regierungsverordnung möglich, was erst im Jahre 1995 geschehen ist68. Zum Teil scheint dafür auch die unklare Fassung des WphG verantwortlich zu sein69. Obwohl als Initiative „von unten“ gegründet70, konnte die CeTO keinen Beitrag zur Belebung des Wettbewerbs unter den beiden polnischen Marktplätzen leisten: Sie wurde im Jahre 2001 durch die Warschauer Wertpapierbörse übernommen71 – und dies trotz ihres für polnische Verhältnisse dynamischen Starts72.
Unabhängig von den Problemen des außerbörslichen Handels wuchs der Markt – begleitet von rechtlichen Veränderungen – und wurde schrittweise durch neue Instrumente ergänzt und durch neue Marktteilnehmer bereichert. In der zweiten Hälfte des Jahres 1992 wurden erstmals Staatsanleihen auf dem öffentlichen Markt notiert. Auch ein erster Investmentfonds (genannt Treuhandfonds) nahm seine Tätigkeit auf. Mit den darauf folgenden Ereignissen, unter anderem der Notierung der ersten Gesellschaft mit rein privatem Ursprung sowie der Einführung des Instruments der Bezugsrechte, wurde die Segmentierung des Marktes immer dringlicher.
Die Anteilsscheine der bereits erwähnten NFIs bildeten mit den insgesamt 150 Unternehmen ein neues Marktsegment innerhalb der Börse73. Die Errichtung der Nationalen Fonds wurde im Gesetz vom 30. 04. 199374 geregelt. Darüber hinaus wurde die GPW um den sog. freien Markt erweitert. Damit reagierte die weiterhin staatlich geprägte Börsenleitung auf die Konkurrenz der CeTO.
Das aus dem Jahre 1995 stammende Gesetz über Anleihen wurde zur Grundlage für Anleihen, die durch Unternehmen sowie Gemeinden emittiert wurden; die Emissionen erfolgten jedoch in vielen Fällen entweder auf dem privaten Markt oder im Ausland75.
Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Markt bereits weitgehend herausgebildet, und es wurden Versuche gestartet, auch den Handel mit Derivaten einzuführen. Die Initiative, Optionen auf den polnischen Aktienindex zu emittieren, wurde jedoch durch die KPW verhindert. Deshalb wurden die ersten, auf polnische Wertpapiere bzw. Indizes lautenden Derivate nicht in Polen, sondern an der ÖTOB in Wien angeboten.
Mit der Entwicklung des Marktes ging auch eine entsprechende schrittweise Erweite­rung der durch die Maklerbüros und Banken realisierten Finanzdienstleistungen einher. Das anfangs auf die Organisation und Bedienung eines Börsengangs sowie die Führung von Wertpapierdepots begrenzte Spektrum wurde mit der Zeit auf alle wichtigen Dienstleistungen erweitert, so dass die Maklerbüros im Jahre 1997 bereits folgende Tätigkeiten ausüben konnten:
Vermittlung aller Arten von Wertpapieren (Aktien, Investmentfondanteile, NFIs, Anleihen) sowie deren Erwerb und Veräußerung auf eigene Rechnung;
Vermittlung bei der Emission von ADR und GDR;
Organisation des außerbörslichen Handels;
Analyse von öffentlich notierten Wertpapieren.
Neuregelung des Marktes im Jahre 1997 – Gesetz über den öffentlichen Wertpapierhandel
Das Wertpapierhandelsgesetz (1991) wurde im Jahre 1997 durch eine vollständig neue Regelung ersetzt, die die Rechtslage an die veränderten Umstände anpasste und die vielerorts kritisierten76 Zulassungs- und Informations­bedingungen zumindest teilweise liberalisierte.
Die wichtigsten Änderungen werden nachstehend kurz erörtert77.
Liberalisierung der Tätigkeit der Maklerbüros
Allgemein positiv aufgenommen wurde die Liberalisierung der Tätigkeit der Makler­büros, dabei insbesondere:
die Einführung einer garantierten Übernahme von Emissionspaketen durch den bei der Emission tätigen Makler (sog. Subemission78), wodurch der eigentliche Emittent den Emissionserlös schneller erhält und das Maklerbüro auf eigene Rechnung die Papiere platziert;
die Möglichkeit, eine Reihe von Handlungen ohne Zustimmung der Kommission vorzunehmen; sie wurden in Art. 31 des Gesetzes aufgeführt.
Vereinfachung einer Zusatzemission
Für Gesellschaften, die zum betreffenden Zeitpunkt bereits seit mindestens drei Jahren öffentlich notiert waren, wurde die Möglichkeit eingeführt, Emissionen neuer Aktien unter bloßer Voraussetzung einer Benachrichtigung der Kommission vorzunehmen; diese musste nach Art. 63 Abs. 1 des Gesetzes drei Wochen vor Verkaufsbeginn erfolgen.
Erweiterung und Liberalisierung des außerbörslichen Marktes
Im neuen Gesetz wurden präzisere institutionelle Rahmenbedingungen für den öffentlichen Wertpapierhandel außerhalb der Börse geschaffen. Dabei wurde der außerbörsliche Handel als Segment des Marktes definiert, bei dem die Zulassung in der Regel an geringere Anforderungen geknüpft ist als an der Börse. Hervorzuheben ist insbesondere die neu geschaffene Möglichkeit, eine Emission auf der Grundlage eines Informations­memorandums anstelle eines Emissionsprospektes durchzuführen, Art. 68 Abs. 4.
Möglichkeit des Verkehrs mit staatlichen Wertpapieren auf dem ungeregel­ten Markt
Eine weitere Neuerung stellte die Möglichkeit dar, die vom Staat oder von der Nationalbank emittierten Wertpapiere außerhalb des geregelten Marktes zu handeln. Dadurch konnte auf Dienste der entsprechenden, auf dem geregelten Markt zuge­lassenen, Rechtssubjekte vollständig verzichtet werden; der entsprechende Markt ließ sich ab jetzt von unbürokratischen Systemen abwickeln79.
Einschränkung des Begriffs des öffentlichen Verkehrs mit Wertpapieren
Einige Fälle von an sich öffentlichen Verkaufsangeboten wurden aus dem Anwen­dungsbereich des WphG herausgenommen, wodurch sie nicht länger dem strengen Reglement des öffentlichen Verkehrs unterstellt waren. Damit wurde eine Entbürokra­ti­sierung einiger Handelsgeschäfte ermöglicht80.
Erweiterung des Wertpapierbegriffs auf Derivate
Das Gesetz von 1997 änderte die Legaldefinition des Wertpapiers i. S. d. Kapital­marktrechts und schaffte damit die Grundlage für die Einführung von Termingeschäften auf dem polnischen Kapitalmarkt.
Liberalisierung der Regeln betreffend den Erwerb von bedeutenden Anteilen
Durch die Erhöhung der entsprechenden Schwellenwerte, die eine Pflicht zum öffentlichen Kaufangebot begründen, wurde die Kapitalkonzentra­tion vereinfacht. Zum ersten Mal wurde hier trotz des allgemein anerkannten Grundsatzes, unkontrollierte Machtkonzentration in notierten Gesell­schaften aus Anlegerschutzgesichtspunkten strengen Regelungen zu unterwerfen, die Kapitalkonzentration gefördert. Aus zwei Gründen verwundert dies nicht: Erstens hatte die Erfahrung gezeigt, dass eine zu breite Streuung des Gesellschaftskapitals sowie eine Behinderung der Konzentration in einer schlechten Unternehmensführung resultieren kann und die Suche eines strategischen Investors erschwert81. Zweitens gehörten die bisherigen Schwellenwerte im Vergleich mit anderen Ländern zu den radikalsten, so dass die Liberalisierung letztlich nur positiv bewertet werden kann.
Rechtslage nach 1997
Nachdem das WphG im Jahre 1997 in Kraft getreten war, erfuhr es noch einige Änderungen, die im wesentlichen auf den bevorstehenden EU-Beitritt zurückzuführen sind. Prinzipiell stellt es die geltende Rechtslage dar, die Gegenstand dieser Bear­beitung ist und im Folgenden einer eingehenden Untersuchung unterzogen wird.
Vorüberlegungen zum geltenden Kapitalmarktrecht
Das Verfahren der Zulassung von Wertpapieren zum öffentlichen Handel ist Teil des gesamten Kapitalmarktsystems. Vor der detaillierten Betrachtung des Zulassungs­ver­fahrens selbst sind deshalb der allgemeine Rahmen des polnischen Kapitalmarktes im Hinblick auf die Rechtsquellen (unter I.), seine Institutionen (II.) und die Marktsegmen­tierung (III.) zu skizzieren.
Überblick über die Rechtsquellen
Das Recht der Wertpapiermärkte ist gegenwärtig in mehreren Gesetzen geregelt, die durch eine Reihe von Ausführungsverordnungen ergänzt werden. Auch nichtstaatliches Recht ist Bestandteil des polnischen Kapitalmarktrechts. Die wesentlichen, für die vorliegende Bearbeitung relevanten Rechtsakte werden im Folgenden kurz vorgestellt.
Gesetz über den öffentlichen Wertpapierhandel82
Eine Art Verfassung des polnischen Rechts im Bereich der Wertpapiermärkte83 stellt das Gesetz über den öffentlichen Wertpapierhandel dar. Dieses aus dem Jahre 1997 stammende Gesetz enthält Regelungen zu Institutionen des Wertpapier­marktes – sowohl zu den Marktteilnehmern wie auch zur staatlichen Aufsicht. Es regelt den Marktzugang und Grundsätze des Handelsablaufs in den wichtigsten Marktseg­menten. Darüber hinaus enthält es Vorschriften zur Wertpapierverwahrung, Transparenz sowie zum Insiderhandel. Ein bedeutendes Kapitel bilden schließlich Strafnormen für den Fall der Zuwiderhandlung gegen einzelne, im Gesetz statuierte Pflichten.
Das WphG wurde seit 1997 bereits mehrmals geändert; die letzte wesentliche Ände­rung hat im Dezember 2000 stattgefunden84. Sie war insbesondere wegen der – gem. Art. 68 und Art. 69 des Assoziierungsabkommens auch formal begründeten – Verpflichtung zur Anpassung an das europäische Recht erforderlich geworden85. Für das Zulassungsverfahren und damit für die vorliegende Arbeit sind insbesondere folgende Änderungen relevant:
Erweiterung des Wertpa­pier­begriffs um einige Wertpapierarten und die Änderung der Definition in Art. 3 WphG insgesamt86;
Änderung der Marktsegmentierung in Art. 90 WphG87;
Ergänzung des Art. 72 WphG um eine detaillierte Festlegung der Fälle, in denen ein Antrag auf Zulassung abzulehnen ist88;
Neufassung der Vorschriften über die vereinfachte Zulassung nach Art. 63 und 63a WphG89;
Präzisierung der Ermächtigung zum Erlass der Verordnung, welche die Regeln der Prospektpublizität enthalten soll, in Art. 71 WphG90;
Aufnahme der Möglichkeit in Art. 72 II und in Art. 73 III WphG, von der Veröf­fentlichung mancher Prospektinhalte abzusehen91;
Gleichstellung der Verwahrungsstelle mit vergleichbaren, ausländischen Institu­tionen in Art. 67 WphG92.
Gesetz über die Anleihen93
Emission, Vertrieb, Veräußerung und Erwerb von Anleihen sind im Gesetz über die Anleihen (AnleihenG) geregelt. Für den Wertpapiermarkt spielt dieses Gesetz insbesondere bei staatlichen Emissionen eine Rolle, doch auch Körperschaften der Selbstverwaltung haben in der Vergangenheit von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, auf seiner Grundlage Wertpapiere zu emittieren. Das Gesetz sieht vor, dass auch Unternehmen Anleihen emittieren können, was in der Praxis bisher kaum eine Rolle gespielt hatte, gegenwärtig aber im Rahmen des außerbörslichen Handels immer mehr an Bedeutung gewinnt94.
Auch dieses Gesetz wurde seit seiner Verabschiedung im Jahre 1995 mehrmals geändert, insbesondere im Zusammenhang mit den wichtigeren Änderungen des WphG.
Gesetz über die Investmentfonds95
Die Tätigkeit von Investmentgesellschaften regelt das Gesetz über die Investmentfonds (InvFG). Es wurde gleichzeitig mit dem WphG im Jahre 1997 erlassen, nachdem die Problematik der Investmentfonds aus dem WphG a. F. herausgenommen wurde. Für das Zulassungsverfahren hat das Gesetz nur marginale Bedeutung. Es ist jedoch Grundlage für die Existenz und Tätigkeit der Investment­fonds, die zu den wichtigen Emittenten am Wertpapiermarkt gehören.
Andere Gesetze
Neben den genannten, für den Wertpapiermarkt grundlegenden Rechtsakten spielen in der vorliegenden Betrachtung noch andere Gesetze am Rande eine Rolle.
Für viele Arten von Rechtsgeschäften sind die Regelungen des Zivilgesetz­buches96 (ZGB) von Bedeutung.
Die auf dem Kapitalmarkt agierenden Gesellschaften und ihre interne Organisation werden vom Gesellschaftsrecht geregelt. Hieraus ergeben sich Berührungspunkte zum Gesetzbuch der Handelsgesellschaften97 (HGGB).
Zu erwähnen ist auch das Recht der Banken und damit das Gesetz über das Bank­recht98 (BankR).
Einer besonderen Erwähnung bedarf an dieser Stelle die Verweisung in Art. 19 WphG. Danach ist im Anwendungsbereich des WphG das Verwaltungsverfahrens­gesetz­buch99 (VwVfGB) anzuwenden. Darüber hinaus finden andere allgemeine Vorschriften des Verwaltungsrechts Anwendung. Dies ist auf den öffentlich-rechtlichen Charakter des Verfahrens vor der Kommission sowie ihrer Handlungen100 zurückzuführen. Insbesondere im Rahmen des Rechtsschutzes ist das Gesetz über das Hauptver­waltungsgericht101 (HVGG) von Bedeutung.
Vorschriften aufgrund gesetzlicher Ermächtigung
Das Regelwerk des Kapitalmarktrechts wird vervollständigt durch eine Reihe von Vor­schriften, die aufgrund von Ermächtigungen in den o. g. Gesetzen erlassen wurden.
Dies sind zum einen entsprechende Rechtsverordnungen des Ministerrates zu Detailfragen der Publizität und Marktorganisation, zum anderen Rechtsquellen von autonomen Rechtssubjekten, die durch Marktorganisatoren unter staatlicher Aufsicht erlassen werden. Die Rechtsnatur der letzteren wird im Verlauf der Untersuchung zu klären sein.
Rechtsverordnungen
Das WphG ermächtigt die Regierung zum Erlass einer Reihe von Ausführungs­verordnungen. An dieser Stelle werden nur diejenigen aufgelistet, die im Rahmen der vorzunehmenden Analyse eine Rolle spielen, d. h. für die Zulassung von Wertpapieren zum öffentlichen Handel relevant sind:
Verordnung des Ministerrates betreffend Bestimmung der zur Stellung eines Antrages auf Zulassung von Derivaten zum öffentlichen Handel berechtigten Rechtssubjekte, die besonderen Bedingungen, die diese Rechtssubjekte zu er­füllen haben, sowie das besondere Verfahren und Bedingungen der Einführung dieser Wertpapiere, einschließlich Kriterien, die sie zu erfüllen haben, damit sie Gegenstand des Handels sein dürfen102. Die Ermächtigungsgrundlage hierfür liefert Art. 69 WphG.
Verordnung des Ministerrates betreffend Bedingungen, die der Emissions­prospekt und dessen Kurzfassung zu erfüllen haben (im Folgenden ProspektVO genannt)103. Die Verordnung wurde auf der Grundlage des Art. 71 I WphG erlassen und nach der Novelle vom 08. 12. 2000 neu gefasst.
Verordnung des Ministerrates betreffend die Gültigkeitsdauer des Emissions­prospekts, Frist für die Veröffentlichung des Prospekts und dessen Kurzfassung, innerhalb derer der Verkauf oder die Zeichnung der Wertpapiere begonnen werden kann, die erforderliche Menge der Prospekte sowie Ort, Zeit und Art der Veröffentlichung des Prospekts und dessen Kurzfassung (im Folgenden ProspektveröffentlichungsVO genannt)104. Ermächtigungsgrundlage hierfür ist Art. 75 WphG.
Verordnung des Ministerrates betreffend laufende und periodische Informa­tionen, die durch Emittenten von Wertpapieren übermittelt werden105. Grund­lage dafür ist Art. 81 V WphG.
Verordnung des Ministerrates betreffend Bedingungen, welche die amtlichen Bör­senmärkte sowie Emittenten von an diesen Märkten zum Handel zuge­las­senen Wertpapieren erfüllen müssen106 (AmtlicheMärkteVO). Die Verordnung wurde auf der Grundlage des Art. 90 II WphG erlassen.
Marktordnungen
Bestandteil des polnischen Kapitalmarktrechts sind auch Vorschriften, die autonom, außerhalb der unmittelbaren staatlichen Strukturen, erlassen werden107. Demzufolge existiert neben den Verordnungen eine zweite Gruppe von Rechtsquellen des Kapital­marktrechts, die auf der Grundlage von gesetzlichen Ermächtigungen ergangen sind. Dies sind die von den Organisatoren der einzelnen Marktsegmente erlassenen Markt­ordnungen:
die auf der Grundlage des Art. 105 I WphG zu formulierenden Börsen­ordnungen108 und
die aufgrund von Art. 115 II WphG zu erlassenden Handelsordnungen der Gesellschaften, die den außerbörslichen Handel organisieren109.
Sonstige Rechtsakte der Marktorganisatoren
Neben den Marktordnungen können die Marktorganisatoren auch weitergehende Rechtsakte erlassen, die für die vorliegende Arbeit – wenngleich nur in begrenztem Umfang – relevant sein können. Hierzu gehören zum einen Satzungen der Gesellschaften, die einen groben Rahmen für die Regelungen der Marktordnungen beinhalten, jedoch im Verfahren der Zulassung kaum direkte Anwendung finden. Zum anderen sind es Ausführungsvorschriften, die durch Organe der Marktorganisatoren im Rahmen der in den Marktordnungen enthaltenen Ermächtigungen erlassen werden. Sie ergehen in Form von Beschlüssen der Vorstände bzw. der Räte dieser Gesell­schaften110.
Neben den Ausführungsvorschriften ergehen auch Beschlüsse, die Ausle­gungsregeln z. B. für die Praxis der Zulassung darstellen. Auch diese gehören in gewissem Umfang zu den Quellen des Kapitalmarktrechts111.
Europäisches Recht
Weite Bereiche des Kapitalmarktrechts, auch des hier behandelten Verfahrens der Handelszulassung, sind in den europäischen Kapitalmarktrichtlinien geregelt. Da es sich bei den Richtlinien um kein unmittelbar in den Mitgliedstaaten geltendes Recht handelt, werden sie auch nach dem EU-Beitritt Polens grundsätzlich keine direkten Auswirkungen auf die hier behandelten Fragen haben. Allerdings ist an dieser Stelle – ohne auf die komplexe Problematik der unmittelbaren Wirkung von Richtlinien einzugehen – festzustellen, dass das europäische Recht zumindest mittelbar einen wesentlichen Einfluss auf die geltende Rechtslage haben kann und deshalb auch berücksichtigt werden sollte. Es ist anerkannt, dass Richtlinien eines der wichtigsten Auslegungs­kriterien des umgesetzten Rechts sind112. Demzufolge sind Vorschriften, die im Geltungsbereich der europäischen Kapitalmarktrichtlinien angewendet werden, immer unter Berücksichti­gung der Richtlinien auszulegen113.
Für das Zulassungsverfahren sind die Richtlinien:
2001/34/EG über die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Börsen­notierung und über die hinsichtlich dieser Wertpapiere zu veröffentlichenden Informationen114 und
89/298/EWG zur Koordinierung der Bedingungen für die Erstellung, Kontrolle und Verbreitung des Prospekts, der im Falle öffentlicher Angebote von Wertpapieren zu veröffentlichen ist115,
relevant.
Das europäische Kapitalmarktrecht ist nicht Gegenstand dieser Arbeit, insoweit werden die o. g. Richtlinien sowie die vielen anderen, die den sekundären Wertpapier­markt betreffen, nicht näher behandelt116. Im Hinblick auf die Richtlinie 2001/34/EG ist lediglich zu bemerken, dass sie im Jahre 2001 aus der Zusammenfassung von insgesamt vier Richtlinien hervorgegangen ist, die bis dahin das Recht der Wertpapierbörsen regel­ten117. Die zitierte, nach wie vor einschlägi­ge, Literatur stützt sich dabei größtenteils noch auf die früheren Richtlinien.
Institutionen des polnischen Kapitalmarktes
Die Errichtung des polnischen Kapitalmarktes „von oben“ führte zu einer schon frühzeitigen Herausbildung der notwendigen Institutionen. Es wurde eine staatliche Aufsichtsbehörde gegründet wie auch der rechtliche Rahmen für die Marktintermediäre geschaffen. Da die meisten institutionellen Einrichtungen des Kapitalmarktes als mehr oder weniger beteiligte Akteure am Zulassungsverfahren mitwirken, sollen sie im Folgenden kurz vorgestellt werden. Dabei ist auch ihre Rolle im Verfahren zu charakte­ri­sieren.
Staatliche Aufsicht – Kommission für Wertpapiere und die Börsen
Die zentrale Rolle für den Wertpapiermarkt spielt die staatliche Aufsichtsbehörde – „Kommission für Wertpapiere und die Börsen“118. Dieses als zentrales Organ der staatlichen Verwaltung geschaffene Gremium ist nach Art. 12 WphG für die Aufsicht über alle Formen des öffentlichen Handels mit Wertpapieren (Abs. I, Punkt 1) sowie über die Tätigkeit der Börsen (einschließlich Warenbörsen, Abs. I, Punkt 2) zuständig. Ihre Aufgaben sind allgemein in Art. 13 WphG geregelt, ihre Zusammensetzung und Funktionsweise in Art. 14 ff. WphG.
Konkrete Zuständigkeiten im Bereich des Wertpapierhandels sind über das gesamte WphG gestreut. Für das Verfahren der Zulassung spielen insbesondere Art. 61 ff. WphG eine herausragende Rolle, wonach die Kommission über die Zulassung von Wertpapieren zum öffen­tlichen Handel entscheidet.
Landesverwahrungsstelle für Wertpapiere
Eine für den polnischen Wertpapiermarkt in markttechnischer Hinsicht bedeutende Rolle spielt die Landesverwahrungsstelle für Wertpapiere119. Diese nach Art. 124 WphG als Aktiengesellschaft organisierte Einheit ist für die Registrierung der am Wertpapiermarkt handelbaren Papiere zuständig, die wegen des Prinzips der Dematerialisation nach Art. 7 WphG120 nur als Buchungsposten im Wertpapierdepot betrachtet werden.
Für die Zulassung von Wertpapieren zum öffentlichen Handel hat dies zur Folge, dass sie ohne entsprechende Registrierung bei der Verwahrungsstelle nicht möglich ist. Handelt es sich um Wertpapiere, die in Form von Dokumenten herausgegeben wurden, so müssen diese nach Art. 67 I WphG hinterlegt werden, was unter anderem ebenfalls bei der Verwahrungsstelle erfolgen kann.
Marktorganisatoren
Sind Wertpapiere zum öffentlichen Handel zugelassen, so können sie grundsätzlich nur im Rahmen des sogenannten geregelten Marktes gehandelt werden, Art. 89 WphG. Der geregelte Markt kann die Form einer Börse oder einer anderen, außerbörslichen Handelsplattform annehmen. Beide Alternativen sind an die Rechtsform einer Aktiengesellschaft gebunden (Art. 98 bzw. Art. 111 WphG), worin auch die weitgehende Autonomie der Marktorganisatoren gegenüber der staatlichen Aufsicht sichtbar wird.
Das WphG lässt die Existenz mehrerer Börsen und auch mehrerer außerbörslichen Märkte zu. Die Realität ist allerdings insoweit „übersichtlicher“, als bisher lediglich eine Börse (die Warschauer Wertpapierbörse) und eine außerbörsliche Handelsplattform (die Zentrale Tabelle der Angebote) tätig sind.
Für das Verfahren der Zulassung von Wertpapieren zum öffentlichen Handel spielen beide Marktorganisatoren eine herausragende Rolle, weil sie im Rahmen ihrer Autonomie sowohl abstrakte Regeln für die Zulassung der Papiere zum betreffenden Marktsegment aufstellen (Art. 105 II und Art. 115 I i. V. m. Art. 105 II WphG) wie auch über die Zulassung im Einzelfall entscheiden.
System der Marktintermediation
Der Anleger nimmt am Marktgeschehen in der Regel nicht direkt teil, sondern über die sogenannten Marktintermediäre, die nach dem Begriffssystem des WphG eine Maklertätigkeit121 ausüben. Ihre Funktionsweise wird im Detail in Art. 22 ff. WphG geregelt. Konzipiert wurden sie in der eher ungewöhnlichen Form des Trennbanken­systems, was Art. 54 III WphG klarstellt122. Danach können Banken als Marktintermediäre nur dann auftreten, wenn sie ihr sonstiges Bankgeschäft finanziell und organisatorisch von der Maklertätigkeit trennen.
Die Maklerbüros beteiligen sich am Verfahren der Zulassung von Wertpapieren zum Handel, indem sie mit dem Emittenten Anträge stellen, die zu emittierenden Wertpapiere durch eine Subemission übernehmen oder nach einer derartigen Übernahme der Papiere im eigenen Namen die Einführung in den Handel abwickeln.
Gliederung des polnischen Wertpapiermarktes
Die Zulassungsregeln weisen in verschiedenen Bereichen des Wertpapiermarktes deutliche Unterschiede auf. Teilweise sind diese Regeln auch nicht einschlägig, sofern es sich nicht um ein vom Anwendungsbereich des WphG erfasstes Markt­segment handelt. Bevor also die unterschiedlichen Regelungen betreffend die Zulassung zu einzelnen Marktkreisen und –segmenten behandelt werden, ist an dieser Stelle zunächst die Einteilung des polnischen Wertpapiermarktes vorzustellen.
Öffentlicher und privater Markt
Der Wertpapiermarkt wird in den öffentlichen und nichtöffentlichen Markt eingeteilt123, wobei der Gesetzgeber in seinen regulatorischen Maßnahmen – ähnlich wie in den meisten anderen Ländern auch – nur den öffentlichen Markt erfasst124. Die öffentlich-rechtlichen Restriktionen des WphG finden nur dann Anwendung, wenn es sich um den öffentlichen Wertpapiermarkt handelt125.
Primärer und sekundärer Markt
Unabhängig davon, ob es sich um den öffentlichen oder nichtöffentlichen Markt handelt, werden im Hinblick auf die Transaktionspartner der primäre und der sekundäre Markt unterschieden126. Der Primärmarkt dient der Begebung von Anlagetiteln durch Emittenten im Wege einer Emission und des erstmaligen Verkaufs127. Dadurch gelangen Wertpapiere in den öffentlichen Umlauf auf dem Sekundärmarkt. Hier findet der Handel zwischen Anlegern bzw. Marktintermediären statt128.
Das polnische Recht unterwirft den gesamten öffentlichen Sekundärumlauf von Wertpapieren dem Regime der staatlichen Reglementierung – den Regeln des WphG (Art. 5 I Nr. 2) sowie Art. 89 I WphG). Dieser Sekundärumlauf wird als geregelter Markt129 bezeichnet und kann auf zwei Marktsegmenten stattfinden: an der Börse oder im Rahmen des außerbörslichen Handels130.
Börslicher und außerbörslicher Markt
Während der Börsenhandel in aller Regel mit hohen Marktzutrittsbarrieren verbunden ist, bleibt der außerbörsliche Markt in den meisten Kapitalmarktsystemen das liberale, dynamische, mit entsprechend höheren Risiken behaftete Marktsegment. Diese auch als OTC-Markt bezeichnete Handelsform spielt eine herausragende Rolle für Risikokapital und damit für junge Unternehmen oder Branchen. Sie wird spätestens seit dem Erfolg der US-amerikanischen NASDAQ131 als ernsthafter Konkur­rent traditio­neller Wertpapierbörsen angesehen.
Auch das polnische WphG kennt die Unterscheidung zwischen der Börse und den außerbörslichen Märkten. Allerdings handelt es sich dabei nach dem Verständnis des WphG um zwei Teile innerhalb des geregelten Marktes, die als solche – anders als nach dem westlichen Verständnis dieser Segmente132 – weitgehend ähnlich geregelt sind.
Die Segmentierung des polnischen Wertpapiermarktes erlebt gegenwärtig viele wesentliche Änderungen, die teilweise auf die Umsetzung der Kapitalmarktrichtlinien zurückzuführen, teils aber auch Antwort auf die vielerorts erhobene Kritik der Über­re­gu­lierung sind133. Insbesondere der außerbörsliche Markt wird liberalisiert.
Amtlicher und nichtamtlicher Markt
Noch vor einiger Zeit war dem polnischen Recht der Begriff des amtlichen Marktes, wie er in den Kapitalmarktrichtlinien benutzt wird, fremd134. Er wurde erst durch die Novelle vom 08. 12. 2000 eingeführt135. Damit wird gegenwärtig gemäß Art. 90 I WphG auch in Polen zwischen dem amtlichen und dem nichtamtlichen Markt unterschieden.
Diese Unterscheidung hat dem polnischen Gesetzgeber und offensichtlich auch der Literatur viele Probleme bereitet, was sich in widersprüchlichen Beurteilungen im Hinblick auf die Vereinbarkeit des WphG mit EU-Recht widerspiegelt. Teilweise wurde behauptet, dass der sog. Grundmarkt der Warschauer Wertpapierbörse die Anforde­rungen des amtlichen Marktes i. S. d. EU-Rechts erfülle und mit diesem gleich­zusetzen sei136. Gleichzeitig wurde aber auch festgestellt, dass kein Bereich des Marktes als „amtlich“ i. S. d. Richtlinien bezeichnet werden könne137. Die Feststellung, unter amtlichem Markt i. S. d. Richtlinien sei in funktionaler Hinsicht zu verstehen, dass in jedem der Mitgliedstaaten ein Marktsegment einzuführen sei, an dem die für ihn vorgegebenen Zulassungs- und Publizitätskriterien erfüllt sind138, ist dabei zumindest nicht ganz zutreffend. Wenn sich der europäische Gesetzgeber bei der Bestimmung des Anwen­dungs­bereichs der Richtlinien des Begriffs der amtlichen Notierung (Art. 2 I RL 2001/34/EG) bedient, dann ist die betreffende Richtlinie auf das Segment des mitgliedstaatlichen Wertpapiermarktes anzuwenden, das die Merkmale eines amtlichen Marktes aufweist. Und diese sind139:
höchste Zulassungsanforderungen140,
amtliche Festlegung der Kurse gehandelter Wertpapiere141 und
Anspruch auf Ausführung bei amtlicher Kursnotiz, sofern kein Nachfrage- bzw. Angebotsüberhang aufgetreten ist.
Vor diesem Hintergrund erscheinen die Maßnahmen des polnischen Gesetzgebers wenn nicht als falsch142, so doch als überflüssig. In der Novelle vom 08. 12. 2000, die aus­drücklich mit den europäischen Vorgaben begründet wurde143, wird die europäische Definition nicht subsumiert, sondern durch eine nationale ersetzt, indem die o. g. Begriffe künstlich eingeführt werden. Darüber hinaus wird in Art. 90 IV WphG die Qualifikation der Marktsegmente als „amtlich“ im Sinne des Gesetzes der Regierung aufgetragen: Sie soll es in einer Rechtsverordnung festlegen144. Das Ergebnis ist eine insgesamt als zu detailliert kritisierte Einteilung145, die nicht der Realität und Praxis des polnischen Wertpapierhandels entspricht und obendrein Zweifel an der Vereinbarkeit mit den Kapitalmarktrichtlinien aufkommen lässt.
Grundmarkt, Parallelmarkt, freier Markt
Innerhalb der Warschauer Wertpapierbörse gilt eine weitergehende Einteilung des Marktes146. Die Börsenordnung sieht drei unterschiedlich geregelte Segmente des Handels vor: Grundmarkt, Parallelmarkt und freien Markt147. Die höchsten Zutritts­barrieren schafft die Börsenordnung in § 34 für den Grundmarkt, mildere Regeln gelten nach § 35 BörsenO für den Parallelmarkt. Eine Art „Auffangsegment“ der Börse stellt der freie Markt dar, auf dem gem. Art. 36 BörsenO alle zum Börsenhandel zugelassenen Wertpapiere gehandelt werden können, die nicht für die anderen, höheren Segmente geeignet sind.
Weil diese Unterscheidung neben die oben erläuterte, vor kurzem eingeführte Einteilung in amtlichen und nichtamtlichen Markt tritt, ohne dass das Gesetz oder die Literatur das Verhältnis beider Systeme zueinander erklären würde, ist die Segmen­tierung des Börsenhandels recht unübersichtlich und teilweise nicht konsistent148. Es ist zu erwarten, dass der geltende Zustand kein dauerhafter sein wird und in dieser Hinsicht noch einige Änderungen sowohl des WphG wie auch der Börsenordnung erforderlich sind149.
Anwendungsbereich des WphG
Die Vorschriften über die Zulassung von Wertpapieren zum öffentlichen Handel, die Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sind, greifen nur unter der Voraussetzung, dass im konkreten Fall der Anwendungs­bereich des WphG eröffnet ist.
Nach Art. 1 WphG regelt das Gesetz den öffentlichen Handel mit Wertpapieren sowie die Tätigkeit der den Handel organisierenden Rechtssubjekte und die Aufsicht über letztere. Die Frage der Anwendbarkeit des Gesetzes und damit der Zulassungspflicht knüpft also an den Begriff des öffentlichen Handels mit Wertpapieren an150. Diesen klärt per Legaldefinition Art. 2 WphG. Nach Art. 2 I ist öffentlicher Handel mit Wert­papieren das Anbieten oder der Erwerb von in Serie emittierten Wertpapieren unter Einbeziehung eines breiten Publikums.
Bevor auf die Merkmale der Legaldefinition eingegangen wird, sollte noch bemerkt werden, dass das polnische Kapitalmarktsystem einen im Vergleich mit den meisten west­euro­päischen Kapitalmarktrechtsordnungen (zumindest bislang) ungewöhnlichen Anknüpfungs­punkt setzt151. Reglementierende Maßnahmen werden hier nicht erst an den Börsengang (oder an den Zugang zu einem anderen Marktsegment) gebunden. Vielmehr ist das Gesetz auch schon dann anwendbar, wenn im konkreten Fall eine beliebige Form öffentlichen Handels vorliegt. Dabei bedeutet „Öffentlichkeit“ des Handels, dass ein breites Anlegerpublikum betroffen ist.
Eine generalklauselartige Bestimmung des Anwendungsbereichs der staatlichen Reglementierung und Aufsicht über den Wertpapierhandel ähnelt hier der US-amerika­nischen Lösung in Section 5 Securities Act of 1933 sowie insbesondere in Section 12 Securities Exchange Act of 1934152, wonach Wertpapiere bereits vor jedem öffentlichen Angebot registriert werden müssen. Einen Wandel in ähnlicher Richtung durchlaufen allerdings auch die europäischen Rechtsordnungen. Da z. B. die Richtlinie 89/298/EWG bei der Prospektpublizität ebenfalls an das Merkmal des öffentlichen Wertpapierverkaufs anknüpft, sind auch die Mitgliedstaaten der EU zu einer derartigen Betrachtungsweise verpflichtet. Als Beispiel, dass das nicht immer so war, kann das deutsche Börsengesetz in der vor dem 01. 07. 2002 geltenden Fassung dienen, wo gem. §§ 36 ff. und 71 ff. des Börsengesetzes a. F. der Anwendungsbereich von Vorschriften über die Handelszulassung auf einzelne Marktbereiche begrenzt war.
Die Legaldefinition des öffentlichen Handels mit Wertpapieren umfasst drei Grund­merkmale153:
die betroffene Handlung – Anbieten oder Erwerb,
ihr Gegenstand – Wertpapiere, die in Serie ausgegeben wurden,
ihre Art und Weise – unter Beteiligung der Öffentlichkeit,
welche im Folgenden näher zu beschreiben sind. Ferner ist auch auf Ausnahmen des Art. 2 WphG sowie auf die Erweiterung des Anwendungsbereichs des WphG gem. Art. 84 WphG einzugehen.
Anbieten oder Erwerb
Für die Bestimmung des Begriffs öffentlicher Handel knüpft Art. 2 I WphG an den Vorgang an, in dem Wertpapiere angeboten oder erworben werden. Es handelt sich dabei nicht um das Rechtsinstitut des Angebots im Sinne der Rechtsgeschäftslehre (Art. 66 ff. ZGB) und auch nicht um andere Formen eines zivilrechtlichen Vertrags­schlusses, die das polnische Zivilrecht kennt (Art. 701 ff. oder Art. 72 ZGB). Das Anbieten ist hier in einem weiteren Sinne zu verstehen, so dass dazu auch die Anbahnung einer eventuellen Veräußerung von Kapitalmarktinstrumenten gehört154. Damit werden durch den Anwen­dungsbereich des WphG nicht lediglich Handlungen im direkten Zusammen­hang mit dem Erwerb oder der Veräußerung von Anlagege­genständen erfasst, sondern auch jegliche Vorbereitungen und Handlungen, die (noch) nicht die Form eines konkreten Rechtsgeschäfts haben155.
Wertpapiere i. S. d. WphG
Gegenstand des öffentlichen Handels i. S. d. Art. 2 I WphG sind Wertpapiere, die in Serie ausgegeben werden. Im Folgenden ist damit zunächst auf die Definition des Wertpapiers selbst einzugehen. Anschließend muss das Merkmal der Serienmäßigkeit des Papiers geklärt werden.
Wertpapierbegriff
Für die Definition eines Wertpapiers i. S. d. WphG könnte man auf die allgemeinen Regeln des zivilrechtlichen Wertpapierbegriffs zurückgreifen. Fraglich ist jedoch, inwieweit das allgemeine, zivilrechtliche Verständnis im Geltungsbereich des WphG taugt. Das Gesetz bietet deshalb in Art. 3 eine eigene Begriffs­bestimmung, die zumindest teilweise eine autonome Lösung für den öffentlichen Wertpapierhandel beinhaltet. Dabei wird der Anwendungsbereich des WphG allgemein durch die Generalklausel des Art. 2 I WphG bestimmt; ein wichtiges Merkmal dieser Definition – die Wertpapiereigenschaft – wird allerdings in einer anderen Weise geregelt: Die Frage, ob es sich bei einem Handelsobjekt um Wertpapiere i. S. d. WphG handelt, beantwortet Art. 3 WphG mit einer Aufzählung der darunter zu verstehenden Markt­instrumente156.
Gleichwohl ist die Legaldefinition alles andere als frei von Auslegungsschwierigkeiten. Sie ist mehrschichtig und verweist trotz ihrer Selbständigkeit auf die im polnischen Recht bekannten Wertpapiertypen157.
Auflistung und Generalklausel des Art. 3 I WphG
Die erste Schicht der Definition wird in Art. 3 I WphG sichtbar. Die Vorschrift zählt zunächst einige Wertpapierarten auf, die im Sinne des Gesetzes auf jeden Fall als Wertpapiere zu werten sind. Die Aufzählung ist seit 1997 immer wieder erweitert worden, und heute beinhaltet sie:
Aktien,
Rechte auf Aktien158,
Depository Receipts159,
Schuldverschreibungen160,
Pfandbriefe,
Investmentzertifikate161.
Neben den im Katalog des Art. 3 I WphG ausdrücklich genannten Arten ist die Vorschrift auch für andere Wertpapiere offen162, die in anderen Bereichen der polnischen Rechtsordnung konstituiert worden sind. Damit stellt die Vorschrift keine vollständig autonome Definition dar163. Sie stützt sich vielmehr in diesem Teil auf den allgemeinen Wertpapierbegriff, der im Zivilrecht gilt164.
Das polnische Zivilrecht bietet keine Legaldefinition des Wertpapiers. Regelungen des ZGB stellen lediglich einen Rahmen für das Verständnis der spezifi­schen Verbindung zwischen dem Dokument und dem darin verkörperten Recht dar165. Nach Art. 9216 ZGB dient das Dokument im Falle eines Wertpapiers nicht mehr nur dem Beweis, sondern wird zur Voraussetzung der Existenz des Rechts gemacht. Darüber hinaus bietet das ZGB keine Anhaltspunkte für die Bildung einer Definition des Wertpapiers. Sie wird durch die Rechtslehre herausgearbeitet.
Die Lehre geht dabei einhellig von dem numerus clausus der Wertpapiere aus166, so dass die Wertpapiereigenschaft nicht von der Anwendung einer abstrakten Definition auf ein frei erschaffenes, verkörpertes Recht abhängt, sondern von einer eindeutigen Zuordnung zu einer gesetzlich fixierten Art167. Auf eine genaue Begriffsbestimmung kann hier daher verzichtet werden; es genügt auf die gesetzlich bestimmten Typen zu verweisen, deren Existenz im Einzelfall zu prüfen wäre168.
Mit dem Verweis auf die allgemeinen Regeln ist jedoch noch ein – seit dem 08. 12. 2000 im WphG neues – Problem noch nicht gelöst: Welche Rechtsordnung ist eigentlich für die Wertpapierdefinition heranzuziehen? In Art. 3 I in fine WphG wird gegenwärtig nicht nur auf das polnische, sondern auch auf ausländisches Recht verwiesen. Die Änderungen vom 08. 12. 2000 sind eine Folge der Harmonisierungs­maßnahmen in Vorbereitung auf den EU-Beitritt169, was bereits der Titel des Änderungsgesetzes verrät170. Früher bezog sich die Definition lediglich auf das polnische Recht, heute sieht sie auch die Möglichkeit vor, dass das WphG auf Wertpapiere i. S. d. Rechts anderer Staaten anzuwenden ist.
Eine mögliche Lösung wäre, auf einen gemeinschafsrechtlichen Wertpapierbegriff zurückzugreifen, da es sich hier um eine Regelung in Vorbereitung auf den Gemeinsamen Markt handelt. Ein europäischer Wertpapierbegriff ist jedoch schwer zu ermitteln171. Darüber hinaus ist eine europäische Definition dazu bestimmt, den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts festzulegen. Im Falle des Art. 3 I WphG gilt es hingegen, die Anwendbarkeit eines polnischen Gesetzes zu prüfen.
Hier scheint eine Lösung angebracht zu sein, bei der die ausländischen Wertpapiere nach dem Maßstab der Rechtsordnung ihres Herkunftslandes zu beurteilen sind. Dieses Herkunftslandsprinzip wäre auch mit der gängigen – vom EuGH geförderten172 – Praxis innerhalb der Gemeinschaft vereinbar. Welche Lösung sich in der Rechts­dogmatik bewährt, muss noch abgewartet werden, denn die Vorschrift erhält ihre Relevanz erst mit dem EU-Beitritt. Vorher sind Bestimmungen, die einen ungehin­der­ten Zugang für Wertpapiere aus anderen Mitgliedstaaten der EU zum polnischen Markt gewährleisten, noch nicht in Kraft.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Art. 3 I WphG den Anwendungs­bereich des Gesetzes insoweit eröffnet, als es sich um ein Papier i. S. der o. g. Auflistung handelt oder um ein anderes, in der Rechtsordnung statuiertes Wertpapier im Sinne der allgemeinen Regeln des Zivilrechts. Der ausdrückliche Verweis auf den zivilrechtlichen Begriff macht die Diskussion über das Verhältnis zwischen diesem und dem Art. 3 I WphG überflüssig173. Diese Frage war unter Geltung des WphG in der Fassung von 1991 heftig umstritten, weil die damalige gesetzliche Formulierung anders und insofern unklar war.
In diesem Zusammenhang ist auch zu bemerken, dass bei der Betrachtung der Wert­papier­definition stets eine – bereits bei der Vorstellung der zentralen Verwahrungs­stelle erwähnte – Besonderheit des WphG zu berücksichtigen ist. In seinem Anwendungsbereich wurde die klassische Bindung des Rechts an eine Urkunde i. S. d. allgemeinen Regeln fast vollständig aufgehoben. Nach Art. 7 I WphG sind die zum Handel zugelassenen Papiere keine Dokumente mehr, was ein Ausdruck des sog. Prinzips der Dematerialisation sensu stricto ist174. Die Eigentumszuordnung wird ausschließlich über Wertpapierdepots realisiert, Art. 7 II WphG. Deshalb müssen Wertpapiere im Sinne einer allgemeinen Definition – falls sie Gegenstand des öffentlichen Handels werden sollen – vorerst zur Verwahrung eingereicht werden, Art. 67 I WphG175.
Erweiterung des Art. 3 II WphG
Eine zweite „Schicht“ der Definition offenbart Art. 3 II WphG, kraft dessen die Wertpapiereigenschaft auch Rechten zuerkannt wird, die keine Wertpapiere im eigentlichen Sinne sind, sondern ihre Anlehnung in Wertpapieren nach Absatz I haben. Im Gesetz findet sich dabei die Formulierung „veräußerliche vermögens­werte Rechte, die aus Wertpapieren i. S. d. Absatzes 1 folgen“176.
Aus diesem Wortlaut wird ersichtlich, dass das WphG nicht lediglich auf Wertpapiere i. S. d. Zivilrechts anzuwenden ist. Auch bloße Rechte werden hier zu „Wertpapieren“ erklärt. Dies hängt nicht nur mit dem Bedürfnis zusammen, den Handel mit bestimmten Rechten dem Wirkungsbereich des WphG zu unterstellen. Es ist auch eine Folge des Verständnisses von Wertpapieren im polnischen WphG überhaupt. Der bereits erwähnte Grundsatz der Dematerialisation der Wertpapiere bedeutet, dass Wert­papiere als „Bündel von Rechten und Pflichten“ verstanden werden, die den Emittenten und Inhaber verbinden177. Da im Falle eines solchen „Bündels“ eine Möglichkeit besteht, manche von den Rechtspositionen getrennt zu veräußern oder auszuüben, erlangen sie für die Wertpapierdefinition des WphG selbständige Bedeutung.
Nach dem oben vorgestellten Wortlaut des Art. 3 II WphG sind nicht alle Rechte aus Papieren i. S. d. Art. 3 I WphG Gegenstand des öffentlichen Handels nach dem WphG. Darunter fallen nur vermögenswerte und veräußerliche Rechte. Diese Eigenschaften hängen insoweit zusammen, als nichtvermögenswerte Rechte in aller Regel auch nicht veräußert werden können178. Darüber hinaus lässt sich keine allgemeine Trennung feststellen zwischen Rechten, die veräußerlich sind, und denen, die nicht veräußert werden können179. An dieser Stelle wird deshalb auf eine negative Beschreibung zurückgegriffen: Ein Recht ist dann nicht veräußerlich, wenn die Unveräußerlichkeit im Gesetz expressis verbis vorgesehen ist180. Hierzu gehören auch akzessorische (Sicherungs‑)Rechte, die in der Regel nicht übertragbar sind, jedenfalls nicht ohne das gesicherte Recht.
Eine ausdrückliche und allgemeine Einschränkung in der Veräußerung von Rechten, die normalerweise aus den Kapitalmarktinstrumenten erwachsen können (z. B. Zinsen aus Schuldverschreibungen, Dividenden aus Aktien), ist nicht ersichtlich; insbesondere handelt es sich hierbei nicht um akzessorische Rechte181. Für eine zumindest potentielle Möglichkeit der Existenz von derartigen getrennt handelbaren Rechten spricht auch die Vorschrift des Art. 3 II WphG selbst. Andernfalls wäre sie von vornherein gegenstandslos. Ob im konkreten Fall ein aus einem Wertpapier herrührendes Recht veräußert werden kann oder nicht, muss jedoch nach den einschlägigen Vorschriften beurteilt werden, die das betreffende Recht(-sverhältnis) konstituieren.
Für die Feststellung, ob ein aus einem bestimmten Wertpapier folgendes Recht unter die Definition des Art. 3 I WphG fällt, ist auch die Frage maßgeblich, in welcher Weise und von wem die „Abtrennung“ des Rechts vorgenommen werden kann. Soll dem Inhaber des Papiers und der daraus folgenden Rechte eine vollständige Freiheit eingeräumt werden, wie er mit seinem Eigentum verfährt, so müsste er die Fähigkeit besitzen, neue Papiere i. S. d. Art. 3 WphG zu kreieren. Obwohl dies bei klassischen Wertpapieren sinnvoll sein könnte, ist eine derartige Freiheit im Bereich des öffentlichen Handels unvereinbar, der anonym und standardisiert abläuft – die Buchung auf einem Depot wäre nicht möglich, die zentrale Verwahrungsstelle könnte keine effektive Aufsicht über die im Umlauf befindlichen Papiere ausüben182. Also sind als Wertpapiere i. S. d. Art. 3 II WphG nur diejenigen Rechte zu verstehen, deren separater Handel bereits durch den Emittenten der eigentlichen Wertpapiere vorgesehen war.
Insgesamt sind nach Art. 3 II WphG diejenigen vermögenswerten Rechte dem Wirkungsbereich des öffentlichen Handels unterstellt, die:
aus Wertpapieren i. S. d. Art. 3 I WphG abgeleitet werden,
deren Verkehrsfähigkeit nicht durch eine ausdrückliche gesetzliche Regelung ausgeschlossen ist und
die durch den Emittenten vom Wertpapier getrennt wurden.
Praktische Relevanz haben in diesem Zusammenhang insbesondere vermögenswerte Rechte, die dem Inhaber von Aktien zustehen, nämlich das Recht auf Dividende, das Bezugsrecht und das Recht auf Liquidationserlös. Die aus der Aktie folgenden Organisations­rechte, wie z. B. Stimmrechte, haben hingegen keinen vermögenswerten Charakter und fallen daher nicht unter Art. 3 II WphG183.
Auch Rechte auf Auszahlung von Zinsen einer Schuldverschreibung können als Rechte i. S. d. Art. 3 II WphG betrachtet werden.
Abgeleitete Kapitalmarktinstrumente (Derivate) nach Art. 3 III WphG
In Art. 3 III WphG werden auch abgeleitete Finanzinstrumente auch in den Wertpapier­begriff einbezogen184. Sie werden definiert als „vermögenswerte Rechte, deren Preis unmittelbar oder mittelbar von dem Preis der in Absatz 1 oder 2 genannten Wertpa­piere oder Rechte abhängt“185.
Damit stellt die dritte Schicht des Wertpapierbegriffs nach Art. 3 WphG nicht mehr (auch nicht mittelbar) auf gesetzlich konstituierte Wertpapiere im Sinne des zivilrecht­lichen numerus-clausus-Prinzips ab186. Im Rahmen dieser Vorschrift wird der Anwen­dungs­bereich auf Rechtspositionen erstreckt, die bis auf die Abhängigkeit des Preises vom klassischen Wertpapier relativ frei durch Parteien eines vertraglichen Rechts­verhältnisses geschaffen werden können187. Dabei kommt es nicht mehr darauf an, ob diese Rechtspositionen Wertpapieren dadurch gleichzustellen sind188. Das WphG ist auf sie in jedem Falle anwendbar.
Zu bemerken ist an dieser Stelle allerdings, dass Derivate außerhalb des Anwendungs­bereichs des WphG eigentlich keine selbständige Bedeutung haben. Es handelt sich hierbei um Kapitalmarkt­instrumente, deren Funktion sich in der Vornahme von Transaktionen durch Teilnehmer einer Handelsplattform erschöpft. Die Regelung des Art. 3 III WphG hat insoweit eine rein rechtstechnische Relevanz – sie dient der Vermeidung von Wiederholungen im Gesetzestext, wenn es um Gleichstellung von Termingeschäften mit dem Handel mit Aktien oder Anleihen geht189.
Werden also Termingeschäfte öffentlich getätigt, so unterliegen die ausgegebenen Derivate der Regelung des Art. 3 III WphG und damit grundsätzlich dem Anwendungs­bereich des WphG190.
Emission in Serie
Eine weitere Voraussetzung für die Anwendung des WphG ist nach § 2 WphG, dass die oben definierten Wertpapiere in Serie emittiert werden. Teilweise wird dies als ein weiteres Merkmal des Wertpapierbegriffs i. S. d. Art. 3 WphG behandelt191. Jedoch hat der Gesetzgeber das Problem der Serienmäßigkeit „vor die Klammer“ gezogen und in Art. 2 I WphG neben die Wertpapierdefinition gestellt. Da die Serienmäßigkeit der Papiere in jedem Falle eine Voraussetzung der Anwendbarkeit des WphG ist, kommt es im Ergebnis auf die systematische Einordnung dieses Merkmals nicht an.
Was ein serienmäßig emittiertes Wertpapier ist, klärt Art. 4 Nr. 1 WphG. Darunter sind Wertpapiere zu verstehen, „die vermögenswerte Rechte vertreten und in eine bestimmte Anzahl von gleichen Einheiten eingeteilt sind“192. Die gesetzliche Formulie­rung stellt hinsichtlich der Voraussetzung der Serienmäßigkeit auf das Kriterium der Austauschbarkeit von Papieren ab193. Das WphG sieht damit vor, dass von öffentli­chem Handel nur dann die Rede sein kann, wenn der Gegenstand des Handels hinreichend standardisiert ist194. Erst dann ist moderner Massenhandel möglich.
Das Kriterium der Serienmäßigkeit ist nicht erfüllt, wenn z. B. mehrere Aktien in einer Urkunde zusammengefasst werden oder im Falle der sog. round lots195.
Kriterium der Öffentlichkeit
Die letzte Voraussetzung des Art. 2 I WphG kann unter dem Oberbegriff der Öffentlichkeit zusammengefasst werden196. Sie bereitet einige Interpretations­schwierig­keiten wegen ihrer unklaren sprachlichen Konstruktion. In der Formulierung „(...) das Anbieten oder der Erwerb (...) von Wertpapieren unter Ausnutzung von Massenmedien oder in anderer Weise, sofern das Angebot an mehr als 300 Personen oder an einen unbestimmten Adressaten gerichtet ist (...)197“ kann sich der letzte Nebensatz sowohl auf beide Alternativen (Benutzung von Medien sowie in anderer Weise) beziehen, wie auch nur auf die letzte (Angebot in anderer Weise).
In der Literatur herrscht keine Klarheit über die Interpretation des Merkmals der Öffentlichkeit. Auf der einen Seite wird der Schwerpunkt der Legaldefinition in der Art und Weise des Anbietens gesehen, weil es hier darauf ankomme, dass zwischen dem Emittenten und Anleger keine persönliche Geschäftsbeziehung aufgebaut wird198. Damit wäre das Kriterium des unbestimmten Adressatenkreises im Falle von Angeboten über Medien nicht mehr notwendig. Umgekehrt stellen andere auf die Möglichkeit ab, potentiell viele Anleger zu erreichen – und damit auf den Massen­charakter des Handels199. Die Inanspruchnahme der Medien sei dabei rechtlich unerheblich200.
In der Begründung der zweiten Auffassung wird zurecht vorgebracht, dass durch Verzicht auf das quantitative Kriterium im Falle einer Offerte mit Hilfe von Medien der Anwendungsbereich für eine Eingriffsverwaltung erweitert werden kann, was durch den Gesetzeswortlaut nicht hinreichend gerechtfertigt ist201. Zwar mögen die ebenfalls vorgebrachten, grammati­kalischen, aus der Interpunktion folgenden, Argumente einen nur formalen Charakter haben. Jedoch ist das Argument mit dem Hinweis darauf, dass durch Ausweitung des Anwendungsbereichs des WphG womöglich auch strafrechtliche Normen zu weit ausgelegt werden (insbesondere Art. 165 WphG), sehr überzeugend.
Darüber hinaus ist die pauschale Annahme, dass durch Einsatz von Medien das Kriterium der Öffentlichkeit automatisch erfüllt sei202, zumindest solange nicht gerechtfertigt, solange nicht der Begriff der (Massen-?)Medien geklärt ist. Werden Rundfunk, Presse oder Internet203 in einem Atemzug genannt, so muss hier nicht automatisch ein breites Publikum erreicht werden. Insbesondere bietet das Internet und das diesem immer näher rückende Fernsehen (in der Form des Pay-TV) Möglichkeiten, den Zugang der Öffentlichkeit einzuschränken204. Entscheidend ist daher in jedem Falle die Quantität der potentiellen Anleger205.
Hinsichtlich des von Art. 2 I WphG geforderten Publikums des öffentlichen Handels ist somit festzustellen, dass für Wertpapierangebote oder -handel in jedem Falle ein potentieller Adressatenkreis erforderlich ist, der mehr als 300 Personen umfasst oder quantitativ überhaupt nicht eingegrenzt werden kann.
Ausnahmen des Art. 2 I Nr. 1 – 11 WphG
Neben einer positiven Bestimmung des Anwendungsbereichs des WphG enthält Art. 2 I WphG eine Liste von Ausnahmen. Die in Art. 2 I Nr. 1 bis 11 WphG genannten Fälle unterliegen den Regeln des öffentlichen Wertpapierhandels auch dann nicht, wenn sie alle Voraussetzungen des ersten Teils der Vorschrift erfüllen. Die Ausnahmen umfassen eine Reihe von Tatbeständen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht als Fälle öffentlichen Handels betrachtet werden. Ratio legis des Ausnahmekataloges ist die Überlegung, die in direktem Zusammenhang mit dem Zulassungsverfahren vor der Kommission steht: In manchen Fällen ist die Kontrolle im Hinblick auf mangelndes Schutzbedürfnis der Beteiligten nicht sinnvoll, so dass das Verfahren entbehrlich ist206. Der Gesetzgeber privilegiert auf diese Weise einige Wege des Erwerbs von Wertpapieren, so dass in diesen Fällen die Kosten der Zulassung und Publizität vermieden werden können.
Für die Prüfung der aufgeworfenen Frage nach dem Anwendungsbereich des WphG ist im Hinblick auf die Ausnahmen des Art. 2 I Nr. 1 bis 11 WphG lediglich zu bemerken, dass der Katalog einen abschließenden Charakter hat207. Das WphG ist demnach im Falle der Gegebenheit der übrigen Voraussetzungen des Art. 2 I WphG nicht anwendbar, wenn auch nur einer der im Katalog genannten Tatbestände erfüllt ist.
Erweiterung des Art. 84 II WphG
Das WphG ist unter den Voraussetzungen des Art. 84 II WphG auch dann anzuwenden, wenn es sich prinzipiell um keinen Fall des öffentlichen Handels mit Wertpapieren i. S. d. Art. 2 I WphG handelt. Die Vorschrift erstreckt die Anwendung der Regeln der Zulassung nach dem WphG auch auf Wandelanleihen208, die von einer öffentlich notierten Gesellschaft ausgegeben werden und für sich keines Zulassungs­ver­fahrens bedurft hätten. Dies ist in Fällen denkbar, in denen die Wandelanleihe an einen begrenzten und dadurch nicht öffentlichen Anlegerkreis ausgegeben wird209.
Der Sinn der Vorschrift ist die Vermeidung einer Rechtsunsicherheit für Anleger, die in eine Wandelanleihe investieren. Ohne eine vorherige Zulassung von Aktien, die für Anleihen ausgegeben werden sollen, können sie nämlich nicht davon ausgehen, dass sie ihre Rechte aus der Anleihe vollständig ausüben können210. Mit der Zulassungs­pflicht nach Art. 84 II WphG wird ein derartiger Zustand für die betreffende Anleihe vermieden, indem die Zulassungsentscheidung vorweggenommen wird.
Damit muss der Emittent, der Wandelanleihen an einen beschränkten Adressatenkreis ausgeben möchte, dessen Aktien aber bereits öffentlich notiert sind, stets die Anwendung der Vorschriften des WphG bedenken, denen er gem. Art. 84 II WphG unterliegt.


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